Reaktionsmechanismen

Wie bereits im Zusammenhang mit der Problematik der Konstitutionsaufklärung des Ethanol-Moleküls dargestellt, erhält man bei der Umsetzung von Ethylbromid mit Kaliumhydroxid in propanolischer Lösung statt des erwarteten Ethanols Ethylpropylether als Produkt. Dieses lässt sich nur erklären, wenn man ein Gleichgewicht der Form

und damit die Bildung von Propanolat- Ionen annimmt. Weiterhin muss man davon ausgehen, dass dieses Gleichgewicht nicht, wie z.B. allgemein behauptet, sehr weit auf der linken Seite sondern eher mittig liegt und dass die Propanolat-Ionen erheblich schneller substituieren als die Hydroxid-Ionen.

Die Existenz eines solchen Gleichgewichts mit der geschilderten Lage hätte aber noch eine weitere, viel entscheidendere Konsequenz, die erst auf den zweiten Blick deutlich wird:

Was für Propanol und Hydroxid- Ionen gilt, sollte auch für andere Alkohole als möglich angenommen werden, also auch für Methanol und Ethanol. Wenn aber auch Methanol und Ethanol mit Hydroxid-Ionen in einem entsprechenden Gleichgewicht stehen, dann müssen insbesondere die klassischen Beispiele für den SN2-Mechanismus und die dafür angegebenen Geschwindigkeitskonstanten in Frage gestellt werden. Dort setzt man nämlich in der Regel Methyl- oder Ethylbromid mit Kaliumhydroxid zu Methanol bzw. Ethanol und Kaliumbromid um. Da wässrige Kalilauge und Alkylhalogenide aber nicht miteinander mischbar sind und im Reaktionsgefäß zwei Phasen bilden, wurden und werden Lösungsmittel wie Methanol oder Ethanol bzw. wässrig-methanolische oder wässrig-ethanolische Gemische gewählt. Aufgrund des angenommenen Gleichgewichts könnten sich damit aber Alkoholat-Ionen bilden und dazu führen, dass als Produkte nicht oder nicht nur der erwartete Alkohol, sondern auch ein mehr oder minder großer Anteil an Ether entsteht. Dieses wiederum könnte zur Folge haben, dass die allseits bekannten und häufig zitierten Reaktionen zur Erläuterung des SN2-Mechanismusses in der Hauptsache zu einem ganz anderen Produkt führen und dass sich alle dafür angegebenen kinetischen Daten nicht auf die Alkohol- sondern auf die Ethersynthese oder eine Überlagerung beider Reaktionen beziehen.
Untersuchungen dazu, überraschende Ergebnisse und Konsequenzen auch für weitere Reaktionsmechanismen sind in der folgenden Literatur zu finden.

Publikationen

Publikationen

  • A. Flint, W. Jansen  "Über die Produkte der Reaktion von Ethylbromid mit Kaliumhydroxid in wässrig-alkoholischen Lösungen und den Verlauf dieser SN2-Reaktion"   [Journal für praktische Chemie, Bd. 331, Heft 5 (1989), S. 709ff.]
  • A. Flint et al.   "Neue Ergebnisse zur alkalischen Hydrolyse von Alkylhalogeniden in wässrigen bzw. wässrig-alkoholischen Lösungen."   [CLB-Memory 7 (1991), S. 51ff., Fortsetzung in CLB-Memory 8 (1991) S. 62ff. und  CLB-Memory 9 (1991), S.69ff.]
  • A. Flint et al.   "Der Reaktionsmechanismus der Etherbildung aus Ethanol und Schwefelsäure"  [MNU 45/8 (1992), S. 490ff.]
  • J. Friedrich, A. Flint, W. Jansen  "Über die Produkte und die Kinetik der Reaktion von Brommethan bzw. Bromethan mit Kaliumhydroxid in verschiedenen alkoholischen und wäßrig-alkoholischen Medien"  [Acta Universitatis Lodziensis, Folia Chimica 12 (1998), S. 25ff.]
  • M. Sieverding, J. Friedrich, A. Flint   "Die Reaktion von tert.-Butylbromid mit Ethanolat-Ionen - eine überraschende  Reaktionsordnung"  [CHEMKON Heft 3 (1997), S. 135ff.]