Konstitutionsaufklärung

Probleme, Irrtümer und Alternativen bei der Konstitutionsaufklärung des Ethanol-Moleküls

(1) Dimethylether
(2) Ethanol

Ethanol nimmt als Schlüsselsubstanz der Stoffklasse der Alkohole in den Richtlinien und Lehrplänen einen bedeutenden Platz ein. Das bezieht sich nicht nur auf dessen Alltagsbedeutung und die Gefahren, die mit dem Konsum von Alkohol verbunden sind. Aus fachlicher Sicht ergibt sich im klassischen Gang der Behandlung der Organischen Chemie für die Schülerinnen und Schüler erstmals das Problem, dass sie nach der gefundenen Summenformel C2H6O unter Anwendung der ihnen bekannten Bindungstheorie zwei sinnvolle Konstitutionsformeln für das Ethanol-Molekül erstellen können.

Um nun herauszufinden, welche der beiden Konstitutionsformeln das Ethanol-Molekül richtig beschreibt, sind in den aktuellen Schulbüchern drei alternative Vorschläge zu finden:

  1. Es wird versucht, die richtige Konstitutionsformel plausibel zu machen, indem  z.B. Ethanol und n-Hexan bezüglich ihrer Mischbarkeit mit Wasser oder ihrer Reaktion mit Natrium verglichen werden. Da im n-Hexan-Molekül alle Wasserstoff-Atome an Kohlenstoff-Atome gebunden sind, sollte im Ethanol-Molekül ein Wasserstoff-Atom eine Sonderstellung besitzen.
  2. Durch die Mischbarkeit mit Wasser und die Reaktion mit Natrium wird versucht, auf die Sonderstellung eines Wasserstoff-Atoms hinzuweisen, die dann durch die sog. quantitative Wasserstoffabspaltung bewiesen wird. Vergleichende Versuche mit Dimethylether werden allerdings nicht tatsächlich durchgeführt, sondern nur theoretisch abgehandelt, da dieser schwierig zu handhaben ist.
  3. Durch die Darstellung von Ethanol aus Ethylbromid und Kaliumhydroxid wird gezeigt, dass die Hydroxid- Gruppe das Brom-Atom im Ethylbromid ersetzt hat und somit die Konstitutionsformel (2) zutreffen muss. Bestätigt wird das durch den Nachweis von Bromidionen durch Zusatz von Silbernitrat-Lösung in das Gemisch nach der Reaktion.

Zu 1.:
Die vergleichenden Untersuchungen lassen zwar die Konstitutionsformel (2) plausibler erscheinen, von einem Beweis kann allerdings nicht gesprochen werden. Weiterhin ist auch aus eigener Erfahrung zu konstatieren, dass die Schülerinnen und Schüler die gewünschten Schlussfolgerungen nicht ohne weiteres ziehen. Sie verfügen über wesentlich weniger Erfahrung bezüglich des Zusammenhangs zwischen Struktur und Eigenschaften als die Lehrerin oder der Lehrer (die/der die richtige Konstitution schon kennt), so dass es sinnvoller erscheint, die vergleichenden Untersuchungen nach der Aufklärung der richtigen Konstitution zu machen. Dadurch können entsprechende Fähigkeiten geschult werden.

Die beiden weiteren genannten Vorgehensweisen liefern leider nicht die gewünschten und beschriebenen Ergebnisse, sondern führen zu anderen nicht erwarteten Produkten. Sie sind deshalb für den Zweck der Konstitutionsaufklärung des Ethanol-Moleküls nicht geeignet. Näheres dazu und eine alternative Vorgehensweise sind in der folgenden Literatur zu finden.

Publikationen

Publikationen

  • A. Flint et al.  "Die "quantitative Wasserstoffabspaltung" - kein Beweis für die Konstitution des Ethanolmoleküls"  [CLB 9 (1990), S. 21ff.]
  • A. Flint, W. Jansen  "Über die Produkte der Reaktion von Ethylbromid mit Kaliumhydroxid in wäßrig-alkoholischen Lösungen und den Verlauf dieser SN2-Reaktion"  [Journal für praktische Chemie, Bd. 331, Heft 5 (1989), S. 709ff.]
  • A. Flint et al.  "Ethanol - Probleme der Aufklärung der Konstitutionsformel und des SN2-Reaktionsmechanismusses im  Chemieunterricht der gymnasialen Oberstufe"   [PdN-Chemie 3 (1990), S. 35ff.]
  • A. Flint et al.   "Die Strukturaufklärung des Ethanols - eine an der geschichtlichen Entwicklung orientierte Unterrichtseinheit"  [NiU-P/C 10 (1987), Heft 30, S. 28ff.]
  • A. Flint et al.   "Ein neuer Weg zum Beweis der Konstitutionsformel des Ethanol-Moleküls"   [Chemie in der Schule 2/3 (1991), S. 86ff.]
  • A. Flint et al.   "Vereinfachter Versuch der Ethersynthese nach Williamson zur Konstitutionsaufklärung des Ethanol-Moleküls"  [NiU-Chemie 4 (1993), S. 32f.]
  • A. Flint et al.   "Zur Ermittlung der Konstitutionsformel des Ethanol-Moleküls"  [MNU 47/8 (1.12.1994), S.478ff.]