Gasgesetze

Mit dem Thema "Gase" kommen die Schülerinnen und Schüler mehrfach und immer wieder in Berührung. Dieses geschieht zum ersten Mal, wenn die verschiedenen Aggregatzustände angesprochen werden. Hier lernen sie, dass im Prinzip jeder Stoff die drei Zustände fest, flüssig und gasförmig annehmen kann. Diese drei Zustände unterscheiden sich dabei durch die unterschiedliche Beweglichkeit der Teilchen voneinander: Im festen Zustand werden die Teilchen als "fest gepackt" angenommen, im flüssigen Zustand als gegeneinander beweglich und im gasförmigen Zustand schließlich als relativ weit voneinander entfernt und frei beweglich. Diese freie Bewegung der Teilchen durch den Raum wird als eine grundlegende Eigenschaft der Gase vermittelt, zwischen unterschiedlichen Gasen wird in der Regel nicht differenziert.

Im weiteren Verlauf des Chemieunterrichts stehen im Bereich der Sekundarstufe I vor allem der Satz von Avogadro sowie die Abhängigkeit des Volumens von der Temperatur und dem Druck im Vordergrund. Die Erarbeitung des Satzes von Avogadro wird sicherlich im Chemieunterricht erfolgen, seine Bedeutung und ein sinnvoller Weg werden in [1] ausführlich dargestellt.
Die beiden anderen genannten Abhängigkeiten können nun sowohl im Chemie- als auch im Physikunterricht der Sekundarstufe I untersucht werden. Eine Absprache der in einer Lerngruppe Unterrichtenden ist auch bezüglich des Zeitpunktes der Thematisierung zweckmäßig, keinesfalls sollte jedoch auf die Erarbeitung der Gasgesetze in der Sekundarstufe I verzichtet werden. Ihre Kenntnis ist aus mehreren Gründen von Bedeutung. Bereits im Satz von Avogadro erscheint die Formulierung "bei gleichem Druck und gleicher Temperatur", diese Parameter müssen also offensichtlich eine Rolle spielen. Sieht man einmal von der fachlichen Relevanz der Gasgesetze ab, lassen sich auch eine Reihe von Phänomenen im Alltag nur mit Hilfe der genannten grundsätzlichen Abhängigkeiten erklären und verstehen, z.B.:

  • Die Entstehung von Hoch- und Tiefdruckgebieten und von Wind ist grundsätzlich auf die Abhängigkeit des Volumens der Luft von der Temperatur zurückzuführen.
  • Auf zahlreichen Spraydosen ist der Hinweis abgedruckt, dass diese nicht über 50°C erhitzt werden dürfen.
  • In Spraydosen aber auch in kleinen Gasflaschen sind oft mehrere Liter Gas enthalten, ein Widerspruch?
  • Zum Aufpumpen eines Fahrradreifens mit einem relativ kleinen Volumen werden erheblich größere Luftvolumina benötigt.

Auch im Sinne allgemeiner Bildungsziele und im Hinblick darauf, dass einige Schülerinnen und Schüler die Schule nach der 10. Klasse verlassen, erscheint es deshalb sinnvoll, dass sie sich bereits in der Sekundarstufe I mit den Gasgesetzen befassen.

Um nun den Zusammenhang zwischen Volumen und Temperatur eines Gases quantitativ zu untersuchen können einfache Versuche auch als Schülerübungen eingesetzt werden. Sie sehen in der Regel die Erwärmung eines Luftvolumens in einem umgestülpten, normierten Gefäß über einer Sperrschicht aus Wasser vor. Diese Art der Versuchsdurchführung bringt allerdings einige Probleme mit sich:

  • Der zu untersuchende Temperaturbereich ist begrenzt durch Schmelz- und Siedepunkt des Wassers.
  • Bei Temperaturen oberhalb von 70ºC verdampft bereits soviel Wasser in die zu untersuchende Gasprobe, dass es zu einer überproportionalen Vergrößerung des Gasvolumens kommt, die Messwerte bei einer graphischen Auswertung nicht mehr auf einer Geraden liegen und eine Extrapolation auf den absoluten Nullpunkt kaum noch gerechtfertigt erscheint.
  • Will man zum Zwecke der Verallgemeinerung verschiedene Gase auf ihr Verhalten hin überprüfen, so ist das bei der Verwendung von Wasser als Sperrflüssigkeit kaum möglich, da die gebräuchlichen Gase sich sehr unterschiedlich gut in Wasser lösen.

Verwendet man jedoch an Stelle des Wassers Siliconöl als Sperrflüssigkeit, lassen sich diese Nachteile vermeiden und in Schülerexperimenten sehr gute Ergebnisse erhalten. Näheres dazu ist in [2] zu finden.

Um den Zusammenhang zwischen Druck und Volumen zu erschließen, wird in der Regel vorgeschlagen, entweder in einem Kolbenprober durch Auflegen von Gewichtsstücken auf den nach oben zeigenden Stempel ein gegebenes Volumen zusammenzudrücken, oder an einen horizontal eingespannten Kolbenprober ein Barometer anzuschließen. Sieht man einmal davon ab, dass die Umrechnung von der Gewichtskraft und der Fläche des Kolbenprober Stempels auf den erzeugten Druck nicht ganz einfach ist, liegt die wesentliche Schwierigkeit dieser Versuche darin, einen wirklich gasdichten Kolbenprober zu finden, in dem sich der Stempel trotzdem noch relativ leicht bewegen lässt.
Wir schlagen deshalb eine alternative Konzeption vor, die auf die Vorkenntnisse der Schüler und den schon etliche hundert Jahre alten Gedanken des Wasserbarometers zurückgreift. Dieses und ein Vorschlag, wie man die beiden Gesetzmäßigkeiten auch für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I verständlich zur allgemeinen Gasgleichung verknüpfen kann, ist ebenfalls in [2] dargestellt.

Alle bisher erworbenen Kenntnisse legen nun den Schülerinnen und Schülern den Schluss nahe, dass alle Gase makroskopisch gesehen die gleichen Eigenschaften haben. Diese Folgerung birgt aber die Gefahr in sich, dass von den gleichen makroskopischen auf gleiche mikroskopische Eigenschaften geschlossen wird und man so zu dem Ergebnis kommt, dass die unterschiedlichen Gase sich auch auf der Teilchenebene gleich verhalten, die einzelnen Teilchen sich gleich bewegen.
Um dieser Gefahr vorzubeugen ist es sinnvoll, ja notwendig, bereits in der Sekundarstufe I zumindest qualitativ zu zeigen, dass eine solche Übertragung von makroskopischen auf mikroskopische Eigenschaften nicht zulässig ist. Einfache Versuche zu einer entsprechenden Demonstration sind in [3] zu finden.

Publikationen

Publikationen

  • B. Kaminski, A. Flint  "Avogadro - einmal anders eingeführt"   [NiU-Chemie 5 (1994) Nr. 25, S. 25f.]
  • B. Kaminski, A. Flint  "Die Entdeckung der Gasgesetze"  [NiU-Chemie 5 (1994) Nr. 25, S. 43ff.]
  • H. Oldenettel, A. Flint  "Alle Gase verhalten sich gleich! Verhalten sich alle Gase gleich?"  [Frankfurter Beiträge zur Didaktik der Chemie, Bd. 2 (1999), S. 3ff.]